Du traust Dich ja was, so als Frau! #solofemalecamper

Oder zum Thema Mädels an der Camper-Front aka Vangirls

Immer wieder stolpere ich in den sozialen Medien über den Hashtag #solofemalecamper. Dazu kommen dann verklärt romantische Bilder von hübschen Mädels, die leicht staffiert in ihren Lichterketten-Kuscheldecken-durchdekorierten Campern hocken, dabei eine Tasse Kamillentee trinken und in den wenigstens Fällen mit dem Social-Media-Beitrag letztendlich eine andere Frau ansprechen. Doch dann überlegte ich mir: wie soll es denn auch anders sein, die Realität will doch keiner sehen!

Frauenpower, Pragmatismus und Corporate Businesskasper

a, auch ich war eine Zeit lang als #solofemalecamper unterwegs, nur war das alles andere als verklärt romantisch, sondern eher pragmatisch praktisch gut. Als ich mir mal ausgerechnet hatte, was das überteuerte Zimmer in München mich für 2-3 Nächte die Woche als Pendlerin kostete, stellte ich mich vor die Wahl: billiges Hotel, Freunde nerven oder City-Vanlife? Und die wahl fiel, wenig überraschend, auf das letztere.

In den Ferien vertrage ich es als Beispiel vielleicht mal zwei drei Tage lang die Haare nicht zu waschen, aber bei einem klassischen Corporate Business Job im Nadelstreifenanzug entfällt diese Option. Daher war beim Umstieg zu Vanlife strategisch zu planen und immer wieder wurde ich vor kleine Herausforderungen gestellt. Im folgenden die Top-Vandwelling-Challenges.

Ex-Bügeleisen-Besitzerin

Location

Grundsätzlich ist es nicht überall gerne gesehen oder gar erlaubt im Auto zu übernachten – von wild Campen spreche ich erst gar nicht! Zudem möchte man abends und nachts auch gerne seine Ruhe haben und nicht von Lärm oder pöbelnden Jugendlichen aus dem Schlaf gerissen werden. Das ist in der Regel das Finden der richtigen Location, vor allem in einer Grossstadt, die grösste Herausforderung beim Van-Dwelling, vor alle für #solofemalecamper.
Ich hatte es jedoch recht schnell geschafft in München einen guten Stellplatz zu finden, der nur 10 Minuten von meinem Arbeitgeber entfernt und schon ausserhalb der Stadt war. Da ich auf Grund einer unterschwelligen Paranoia so unscheinbar stehen wollte wie möglich, versteckte ich mich auf einem abgelegenen Parkplatz in der Nähe eines kleinen Militärgeländes. Meistens funktionierte das wunderbar!

Lange Sommernächte können für den Versuch inkognito zu bleiben eine Herausforderung sein – so schön wie es draussen ist, sind alle anderen auch unterwegs

Manchmal jedoch auch nicht. Und zwar sind diese abgelegenen Parkplätze bei Jugendlichen, die scheinbar unter der Woche keinen Schlafbedarf haben, oder jungen Päärchen für ein bisschen Bunga Bunga sehr beliebt. Ganz hinten am Parkplatz parken, um sich vermeitlich zu verstecken, ist daher kontrakproduktiv, denn die anderen wollen auch auf die letzte Sitzreihe. Somit erkor ich meinen Standardstellplatz gleich ganz am Anfang des Parkplatzes und hatte somit kaum noch Grund zur Beschwerde. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass das Parkieren an sich einfach legal ist. Ein paar Nächte stand ich auch einfach im Parkhaus oder bei Freunden auf Privategelände, wodurch gewisse Unannehmlichkeiten sowieso entfallen.

Hygiene

In der Regel stehen bei grösseren Arbeitgebern Duschen zu Verfügung, doch ich wollte mein Vorhaben etwas mehr inkognito gestalten. Da bot es sich an, dass in München Fitnessstudio-Abonnements mittlerweile zu Dumpingpreise angeboten werden. Bei 20 € im Monat mit monatlicher Kündigungsfrist kann man sich nämlich echt nicht beklagen. Für mich war zudem noch doppelt gewonnen, da ich nach der Arbeit erstmal Sport treiben und danach die Dusche inkl. Fön ausnutzen konnte. Wenn ich mal nur zum Duschen reintrottete, hat es auch keinen interessiert. Hin und wieder übernachtete ich auch bei einer Kollegin auf dem Sofa, aber so nett die Mädelsabende auch waren, irgendwie war mir mein „eigenes Heim“ am Ende am liebsten! Alternativ zu diesen Lösungen im Alltag haben wir bei unseren Roadtrips hier und da bei Schwimmbädern für 1-3 Taler duschen können oder haben uns einfach einen Saunaabend in einer Therme gegönnt!

Wo ein Wille, da ein Weg

Natürliche Bedürfnisse

Das natürlichste der Welt ist beim Vanlife wohl das, worüber am wenigsten gesprochen wird. Ja, irgendwann muss jeder mal. Während sich das eine bei ausgewogener Ernährung gut mit dem ersten Kaffee auf der Arbeit timen lässt, so ist Pipi machen im Freien bei einer Frau etwas umständlicher als beim Manne, wie Gott ihn schuf. Vor allem halte ich auch nichts davon, wenn an Parkplätzen überall Taschentücher rumliegen oder es in trocknenen Sommermonaten anfängt nach Kloake zu riechen. Pfui. Für mich kam daher nur eines in Frage: Porta Potti. Ein kleines tragbares Klo, das ich sogar bei ausgezogenem Bett noch benützen konnte. Und ja, Entleeren ist jetzt nicht unbedingt mein Tages-Highlight vom Donnerstag gewesen, aber mit den richtigen Mitteln ist es als andere als schlimm und sich vor sich selbst zu ekeln, wäre sowieso komisch. Das richtige Mittel ist im Fall von reinem Urin auch nicht die harte Chemiekeule, sondern lediglich etwas Essig (ggf. Gallseife) und Allzweckreiniger für etwas Parfümierung. Wenn man das Gelbwasser dann nach 3 Tagen in die heimische Toieltte entsorgt, sind die Unannehmlichkeiten auf ein Minimum reduziert.

Portapotti für alle!

Winter mit -8 °C

Vanlife oder Vandwelling ist nicht unbedingt nur auf den lauen Sommer beschränkt. Obwohl ich am Rande erwähnen muss, dass es schon fast Klasse hatte vom Topdeck eines Münchner Parkhauses den Sonnenuntergang zu beobachten und mit Kollegen eine Feierabendhalbe zu trinken. Der Winter war in meinem Fall mit – 8 °C und teils bis zu 30 cm nächtlichen Neuschnees schon eher zapfig. Die Standheizung ist in dem Moment einfach gold wert gewesen. Da ich jedoch bei der Lautstärke und der Tatsache, dass die Original-VW-Standheizung im Leistungsmodus immer wieder lautstark anfährt, nicht schlafen konnte, war nachts die Heizung aus. Anstelle dessen kuschelte ich mich in einen dicken Schlafsack und legte noch zwei dicke Decken drüber. Die Standheizungsautomatik stellte ich dann wie einen Wecker, so dass ich es dann beim Aufstehen angenehm warm hatte.

Ohne Standheizung geht da mal gar nichts…

Sicherheit

Das ist wohl ein sensibler Punkt, der beim vermeitlich schwächerem Geschlecht immer wieder thematisiert wird. Man steht mitten im Nirvana: hast Du denn keine Angst überfallen, ausgebraubt…nein gleich gemordet zu werden? Ja und nein. Ja, weil das menschliche Gehirn immer eine gewisse Paranoia aufrecht erhält und man automatisch beunruhigt ist, wenn man Geräusche wahrnimmt oder Menschen am Auto rumschleichen hört. Aber sobald man diese Gedanken rationalisiert, ist der Spuk passé. Erstens, es sind an abgelegenen Orten auch hin und wieder „normale“ Leute unterwegs. Sei es Spaziergänger mit Hund, Jugendliche auf der Flucht vor dem Auge der Erziehungsberechtigten oder andere Camper, die die Location auschecken. Diese Leute haben in der Regel kein Interesse am Fahrzeug und schon gar nicht, wenn jemand drin liegt. Zweitens, richtige Einbrecher begeben sich explizit auf die Suche nach dem Objekt ihres Begehrens. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass so jemand genau dort sucht, wo ich gerade stehe? In der Regel verschwinded gering!

Trust me, I´m a #solofemalecamper

Drittens, mit etwas gesunden Menschenverstand bei der Platzwahl muss man kein Glück für eine ruhige Nacht haben. Kommt dann jedoch Pech dazu, dann kann man sich entsprechend Exit-Strategien bereitlegen. In 99 % der Fälle werden Diebe verschreckt, sobald sie merken, dass das Auto nicht leer ist: also alle Lichter an und ordentlich Radau machen. Dann sollte der Schlüssel griffbereit liegen, um notfalls das Weite zu suchen. Last but not least, hatte ich noch ein Bärenspray zur Hand gehat – wobei hier das Self-Knock-Out-Risiko massiv gegen den Einsatz derartige Hilfsmittel spricht. Fazit: Prävention ist immer besser als Reaktion und Vorsicht ist die Mutter der Porzellakiste.

Freiheit pur

Wie ich zumindst versucht habe zu beschreiben, gibt es kein Problem, für das sich keine Lösung finden lässt. Mit etwas Hirnschmalz und intrinsischer Motivation lässt sich alles irgendwie hinbiegen. Was man im Gegenzug dafür bekommt ist jedoch unbezahlbar. Ich habe das Gefühl geliebt die Verpflichtungen, die in meinem Fall mit der Zweitwohnung einher gingen, los zu werden. Dieses Hin- und Herpacken von Sachen, der Arbeitsweg innerhalb von München, die gefühlt unverhältnismässig hohen Zusatzkosten und vor allem die fehlende Flexibilität braucht doch kein Mensch! Ich konnte nicht nur mein Ding durchziehen, sondern konnte mir durch das Ersparte auch noch entsprechend den „teuren“ Camper finanzieren und mir ist bewusst geworden, wie wenig man eigentlich zum Leben braucht und wie viel (zu viel) wir alle eigentlich besitzen.

Afterwork-Party mal anders

Der Camper selbst brachte mir auch in der Freizeit eine schier unendlich Freiheit zu reisen. Wann und wohin ich will, ohne mich festlegen zu müssen. Oder mir Gedanken machen zu müssen, wo ich heute Nacht schlafen werden. Eine Win-Win-Situation also. Da kann man nur hoffen, dass auch unsere Städte- und Gemeindeverwaltungen das Potential dieser „Wohnalternative“erkennen. In München hatte ich selbst eine Handvoll „Camper-Buddies“ beobachtet und ich wette mein letztes Hemd, dass in allen Ballungszentren mit knappen Wohnraum und zunehmendem Pendleranteil der Bedarf an Alternativen wachsen wird. Hopes up! Und bis dahin: Happy Dwelling!

*Über die Definition von Vanlife und Vandwelling lässt sich streiten und jeder hat da seine eigene Ansicht. Ich zumindest stufe Vanlife als „Leben im Camper für einen begrenzten Zeitraum mit vorrangigem Ziel die Vorzüge eines Campers beim Reisen zu geniessen“. Vandwelling hingegen stufe ich als „Leben im Camper als Alternative zu einem Wohnsitz mit vier festen Wänden sowie der Regularität eines Alltags“ ein.

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